30. Schweinfurt Open 2022
- Noel Oumard und Marcel Schnücker schwitzen in Unterfranken -
Bei sonnigem Wetter und sommerlichen Temperaturen jenseits der 30°C traten unsere Protagonisten die Reise nach Schweinfurt an, um dort über das verlängert Fronleichnamswochenende ihr erstes ELO-ausgewertetes Turnier zu spielen. Die Motivation obgleich der schwelgenden Hitze noch hoch.
Den Auftakt machen beide als erwartbare Außenseiter. Marcel mit der noch größeren Aufgabe, sein Gegner knapp 350 Punkte stärker. Noch ganz gut aus der Eröffnung gekommen, übergibt er mit einem strategischen Fehler das Zepter an seinen Gegner. Ein weiterer Fehler in der darauffolgenden Drangphase und die Stellung ist positionell verloren. Er gibt sich noch eine ganze Zeit lang nicht geschlagen doch der Vorteil wird im Endspiel sehr deutlich. 1-0. Für Noel startet es ebenfalls durchwachsen. Er verrechnet sich bei einer verlockend aussehenden Bauerngabel und verliert zwei Bauern. Doch ein Fehler des Gegners lässt ihn zurückkommen, leider nicht für lange. Der weiße Angriff ist stark und ein Fehler in der Verteidigung beendet die Partie. 1-0, das hätte noch sehr spannend werden können.
Der Holperstart geht erstmal weiter. Noels Gegner erwischt eine gute Variante in der Eröffnung doch kann seinen Vorteil nicht festhalten. Im Gegenteil, Noel bekommt die Chance der schwarzen Dame mit einem unscheinbaren Zug auf die Pelle zu rücken, der Damenfang ließe sich für Schwarz nur durch ein Qualitätsopfer verhindern, leider übersieht er diese Möglichkeit. Im Folgenden erhält er wieder etwas Vorteil doch ist die Variante, um ihn zu halten kompliziert und schwer sauber zu berechnen. Beiden Parteien fällt kein sinnvoller Plan oder eine vorteilhafte Abwicklung ein und mittels Zugwiederholung lautet das Ergebnis ½-½. Marcel hat erneut einen harten Brocken mit über 2000 ELO vor der Brust. Die Eröffnung ist scharf und ein Fehler bringt seinen Gegner in eine gute Position. Ein weiterer Rechenfehler und der weiße Angriff wird zu stark, Matt in wenigen oder immenser Materialgewinn sind in Sicht, Gegenspiel: keines. 1-0.
Die 3. Runde am Freitagnachmittag sollte entspannter werden. Eine über weite Strecken ausgeglichene Partie bei Noel. Ein Taktischer Einsteller und das Endspiel kippt zu seinen Gunsten. Mit Mehrqualität ist der Sieg schließlich ungefährdet. 0-1. Zum ersten Mal in der Favoritenrolle plätschert Marcels Partie in ein damenloses Mittelspiel, ein Fehler und sein Gegner kann Vorteil erlangen, ungenutzt. Im direkten Gegenzug dann die Gelegenheit zum Materialgewinn, doch übersieht er, dass der Springerabzug mit Doppelschach kommt. Die folgende Abwicklung bringt Marcel dennoch in ein vorteilhaftes Endspiel. Eine wichtige Ressource verhindert den Läuferverlust und dominiert den Gegnerischen Springer. Sein Gegner lässt die Überführung ins Bauernendspiel zu, dieses ist keine Herausforderung für Marcel. 1-0, der erste Punkt.
Am frühen Samstagmorgen bewegt sich Noels Partie lange in der Remisbreite, Chancen auf leichten Vorteil bleiben ungenutzt. Dann setzt einmal der Kopf aus, sein Gegner kann den Damengewinn forcieren. Noel kämpft noch ein wenig weiter, doch sein Gegner rechnet gut und fährt den Punkt nach Hause. 0-1, so ist Schach. Auch bei Marcel ist einiges los. Er fasst in der Eröffnung die richtige Idee, die langfristigen positionellen Vorteil geben wird, doch traut er sich nicht für die Umsetzung seinen starken Läufer zu geben, Schwarz entknotet sich und gewinnt eine Qualität. Doch die Stellung bleibt kompliziert und Marcel kann den gegnerischen Läufer einsperren und mit dem eigenen Läufer die Türme unterdrücken, leichter Vorteil. Beide Spieler ohne Plan ziehen ein bisschen umher, plötzlich verläuft sich die Schwarze Dame, mit Dame gegen beide Türme bekommt Marcel die Chance den Vorteil des eingesperrten Läufers zur Geltung zu bringen. Ein Rechenfehler bei reichlich Oberwasser kostet jedoch eine Leichtfigur, Schwarz ist wieder im Spiel. Jedoch nicht für lange, mit wenigen Sekunden auf der Uhr verliert Schwarz den Überblick und einen Turm. Dame gegen Turm und Springer heißt das Endspiel und Marcel schafft es nach zähem Ringen eine Freibauern zu verwerten. 1-0, in Zeitnot übersahen beide den Damenrückgewinn dank Turmopfer und Springergabel, das entstehende Endspiel Springer gegen starker Freibauer wäre spannend aber wohl ausgeglichen gewesen.
Am Nachmittag kommt Noel gut in die Partie, erarbeitet sich immer größeren Vorteil und unterschätzt am Ende das Potential seiner Stellung. Er nimmt ein Remisangebot an, Stellung wohl gewonnen. Marcel hingegen kommt früh unter die Räder, lädt seinen Gegner zu einem Angriff ein, dieser jedoch spielt zu übermütig. Marcel findet ein schönes f4-f3 an geeigneter Stelle, löst die schwarzen Probleme und bringt großen Vorteil. Im folgenden Schwerfigurenendspiel sieht sich Marcel stark im Vorteil, doch übersieht er in einer Berechnung eine hängende Dame und findet so scheinbar unangenehmes Gegenspiel für seinen Gegner. Dem Angriff so eben noch entkommen bietet er Remis, angenommen. Die Stellung ist auch hier gewonnen, ein bitterer Rechenfehler. Heute war für Beide definitiv mehr drin.
Am letzten Tag wird eine Partie gegen das Wolgagambit für Noel schnell zur Achterbahn, er schafft es jedoch das schwarze Spiel zu entschärfen und erringt großen Vorteil. Im Endspiel bringt ein unscheinbarer Fehler Schwarz zurück und eine übersehene forcierte Ablenkung landet in Dame gegen Turm, Schwarz beweist Technik und fährt den Punkt ein. Ein schmerzhafter Verlust nach schönem Mittelspiel. Marcel landet in schwieriger Stellung. Beide Spieler können keine Chancen auf Vorteil nutzen, dann gewährt Marcel seinem Gegner zu viel Aktivität. Ein dann starker Springer nutzt die Gelegenheit und bestraft die schlechte Koordination der weißen Steine mit einer Gabel. Marcel findet noch starkes Gegenspiel, Schwarz muss ein paar einzige Züge finden, um den Vorteil zu halten. Doch wie am Vortag gegen Noel rechnet er gut und kann den Laden zusammenhalten. 0-1.
Die letzte Runde in der aufgeheizten Spinnmühle bringt keine Spannung mehr. Noels Gegner erwischt einen schwarzen Tag und stellt nach Ausgeglichener Eröffnung mit Chancen für Beide reihenweise Figuren ein. Da lässt sich Noel nicht zwei Mal bitten und fährt den Punkt nach Hause. 3 aus 7, das Endergebnis ist befriedigend. Mehr Chancen für Marcel: Früh wird viel getauscht und die weißen Figuren stehen schlecht, doch nach abriegeln der Struktur lässt das Endspiel (Läufer und Springer auf beiden Seiten) nichts mehr zu. Zwar kann sich Weiß kaum rühren, doch hält er alle Schwächen gedeckt und die schwarzen Figuren beißen auf Granit. Nachdem die letzte Kugel verschossen war, ergibt sich noch eine Situation mit etwas Ungleichgewicht, doch man einigt sich auf Remis und tritt die Heimreise an. Stockfish gibt Ihnen Recht. Auch hier stehen am Ende 3 aus 7, auch hier zufriedenstellend, angesichts der Gegner in Runde 1 und 2.
So gehen 4 buchstäblich heiße Tage in Unterfranken zu Ende. Schachlich von mäßigem Erfolg gekrönt hatten beide dennoch eine gute Zeit in und um die schöne Innenstadt des nach außen durch ZF, SKF, Schäffler und Bosch bekannten Industrieriesen.