Urlaub und Schach
- Marcel Schnücker bei der ACO Amateurweltmeisterschaft auf Kos –
Im Oktober 2021 von einem Vereinskollegen angefixt, vom 06. bis 15. Mai 2022 schließlich Realität: zusammen mit einem Freund, mischt er die von der unabhängigen ACO organisierte Amateur WM auf und genießt sonnige Tag auf der griechischen Insel.
Tag 1:
Es dämmerte schon als die zwei das erste Mal aus dem frisch bezogenen Zimmer auf die Hauptterrasse des Atlantica Belvedere Resort stiegen, um Organisatoren und Mitstreiter bei einem entspannten Begrüßungsabend kennenzulernen. Der erste Eindruck: es ist alles sehr familiär und man fühlt sich sofort wohl. Der malerische Ausblick auf Strand und Mittelmeer ließ einen kurz vergessen das am nächsten Tag der Ernst des Lebens auf den 64 Feldern wieder zuschlägt.
Tag 2:
Aufwachen, Frühstücken und ab an die Bretter. Für Marcel ging es als Mitfavorit in Gruppe E schon in seinem erst zweiten Turnier um realistische Preisgelder.
Marcel konnte mit den weißen Steinen über lange Zeit trotz reichlich ungenauem Spiel einen ordentlichen Vorteil halten, verpasste jedoch zwei klare Siegmöglichkeiten, wegen taktischer Blindheit. Als er und sein Gegner mit großen Schritten auf die Zeitkontrolle zumarschierten, ergaben sich für Schwarz mehrfach Möglichkeiten in komplizierter Abwicklung ein, laut Stockfish ausgeglichenes, Endspiel mit reichlich Materialasymmetrie zu erreichen. Jedoch verpasste er dies und wollte seinen bedrängten König retten, lief dabei aber in ein forciertes Matt. 1-0, ordentlicher Auftakt.
Tag 3:
Nach ordentlicher Eröffnung setzte bei Marcel einmal der Kopf aus: Abzug, Dame weg, Aufgabe, Mittagessen. Ein herber Schlag, von dem sich die Zweitwertung auf Dauer nicht mehr erholt wie sich zeigen sollte.
Auch Partie zwei war nicht von großem Erfolg gekrönt, er verpasste einen starken Vorteil, da er fürchtete seine Dame gerät auf Abwege und erneut verloren. Die Stellung drehte sich dann noch einmal. Leichter Vorteil für den Gegner, dennoch nahm er ein Remisangebot an. ½-½, schmeichelhaft.
Tag 4:
Runde 4 beginnt unerfreulich, einige falsche Ideen und Marcel landet in einer Position, die wohl kein Schwarzspieler lange aushält. Der Gegner besetzte die offene B-Linie, machte Druck an allen Stellen und der von Stockfish angezeigte Fast-Ausgleich beruht auf kompliziertem Gegenspiel. Doch das Glück war ihm hold und sein Gegner hatte einen Aussetzer: er wollte wohl seine Stellung verbessern doch vergaß die Deckung seines Turmes, berührt-geführt, eine Ruine würde verbleiben, Aufgabe. 0-1, sehr glücklich.
Tag 5:
An Tag 5 schlägt wieder der Fluch der Doppelrunde zu: eine falsche Verteidigungsidee gegen einen aufkommenden Angriff, die Bauernwalze rollt, eine Qualität geht flöten und die Abwicklung ist sauber. Seine Gegnerin ist am Ende zu stark. 2,5 aus 5 nach der Halbzeit, da war bisher mehr drin.
Gegen den frisch gebackenen ACO Senioren Weltmeister lief es für Marcel schon besser, 2 Bauern mehr aus der Eröffnung und eine taktische Abwicklung stoppt den aufgekommenen Angriff. Mit reduziertem Material wird ins Doppelturmendspiel überführt, die Mehrbauern gesund. Das Endspiel wird über weite Teile sauber gespielt und ein konsolidierter Freibauer reicht am Ende und der Gegner hat genug gesehen. 0-1 nach fast 5 Stunden Endspielkneterei, zufrieden geht es zum Abendessen.
Tag 6:
Marcel kommt langsam an die Spitzengruppe wieder heran. Eine kleine Taktik und ein gewonnener Läufer können verwertet werden. 4,5 aus 7, enge Spitzengruppe, geht da noch was Richtung Treppchen?
Tag 7:
Für Marcel wartet am zurückerkämpften Spitzenbrett der Favorit auf den Gruppensieg. Die Stellung gibt früh einiges her, komplizierte Varianten mit hohem Risiko werden jedoch vermieden. Die Stellung verflacht etwas, erhält aber eine asymmetrische Struktur und Marcel kommt in Bedrängnis. Der Remisschluss am Nachbarbrett bedeutete den Gruppensieg für seinen Gegner bei Remis im eigenen Spiel, Marcel nutzte dies und entzog sich einer aus seiner Sicht unangenehmen Stellung mit einem Remisangebot. 5 aus 8, da hätte man vielleicht mutiger sein können, der dritte Platz ist nur noch rechnerisch möglich.
Tag 8:
In der letzten Partie musste Marcel früh ein paar Ungenauigkeiten in der Eröffnung ausbügeln. Dies gelang und im Endspiel Läuferpaar gegen Springer und Läufer war der Sieg zum Greifen Nah. Er hatte jedoch eine falsche Gewinnidee gefasst und wickelte in ein Endspiel mit Ungleichfarbigen ab, der Siegplan ging nicht auf. Verrechnet. Als der Saal am letzten Tag schon sehr leer wurde, wickelte man auf unzureichendes Material ab. 5,5 aus 9 der Endstand, am Ende leicht geknickt angesichts der Katastrophalen zweiten Partie aber der restliche Verlauf zufriedenstellend.
Neben einem schönen Abendessen am Strand stand noch die Siegerehrung auf dem Programm. Der nächste Tag wurde ein letztes Mal das hervorragende Essen und die Sonne am schönen Strand genossen, die die Zwei die letzten 8 Tage begleitet haben und trotz schachlicher Höhen und Tiefen einen gelungenen Urlaub bereiteten, ehe abends der Flieger gen Deutschland abhob.